Die Lockdowns scheinen weit entfernt. Kein Anstehen mehr vor dem Supermarkt mit zwei Metern Abstand. Und Masken sind beim Einkaufen von Teigwaren, Kleidern und Laptops ebenfalls nicht mehr nötig. Doch die Schweizer Detailhändler spüren die Spätfolgen der Pandemie dennoch. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie der Bank Credit Suisse und des Beratungsunternehmens Fuhrer & Hotz.
Zahlreiche Detailhändler sind demnach mit Rekrutierungsschwierigkeiten und einem Arbeitskräftemangel konfrontiert. Die Arbeitslosigkeit ist rekordtief und die Anzahl offener Stellen hoch. Haupttreiber dieser Situation im Detailhandel scheinen gemäss Studie fehlende Brancheneintritte und ein Mangel an Nachwuchskräften zu sein. Vor allem bei den Lehrlingen würden die Neuzugänge fehlen.
So sucht beispielsweise die Migros – die grösste private Arbeitgeberin der Schweiz – derzeit verzweifelt nach Personal. Rund 1800 Stellen sind ausgeschrieben. «Es fehlt überall an Leuten, noch nie waren so viele Berufe betroffen», sagte jüngst Personalchef Reto Parolini gegenüber CH Media. Bei der Suche geht der Händler kreative Wege: Er setzt auf Whatsapp-Kampagnen, hat ein internes Personal-Empfehlungsprogramm ins Leben gerufen und bildet neu sogar selbst IT-Spezialisten aus.
Laut Martin Hotz von Fuhrer & Hotz erachten vier von fünf Entscheidungsträgern im Detailhandel die Rekrutierung als grosse Herausforderung. Mit Folgen: Grosse Händler diskutieren über verkürzte Öffnungszeiten und Einschränkungen bei den bedienten Theken in Supermärkten, wie Hotz ergänzt. «Die grösste Schwierigkeit ist es für sie, Chefmetzger zu finden.» Die persönliche Beratung beim Einkauf des Entrecôtes oder des Lachses sei ein wichtiger Profilierungsfaktor für jeden Händler. «Da stellt sich die Frage, inwiefern man auf personelle Ressourcen verzichten kann, ohne dass man sich selbst ins Knie schiesst.»
Ruedi Hadorn, Direktor des Schweizer Fleisch-Fachverbands, ist nicht überrascht. «Die Nachwuchsmangel bei den Metzgerinnen und Metzgern ist leider Realität.» Er schätzt, dass allein dieses Jahr rund 250 bis 300 ausgebildete Fleischfachleute fehlen werden. «Das ist rund die Hälfte des eigentlichen Bedarfs.»
Kürzere Öffnungszeiten, weniger Theken – noch ist es nicht so weit, wie eine Anfrage bei Migros, Coop und Manor zeigt. Migros-Sprecherin Carmen Hefti sagt, dass man die Dienstpläne der bedienten Theken bisher aufrechterhalten konnte. Dieses Angebot entspreche einem wichtigen Kundenbedürfnis, «dem wir unter allen Umständen entsprechen wollen».
Öffnungszeiten habe man ebenfalls bis dato nicht reduzieren müssen. «Es ist allerdings richtig, dass es vereinzelt zu Mehrbelastungen kommt infolge fehlenden Personals», sagt Hefti. Auch Coop-Sprecher Caspar Frey sagt, dass es keine operativen Einschränkungen gebe. Über ein Viertel der Filialen sei mit einer Fleischtheke ausgestattet. Derzeit gäbe es dafür «einige offene Stellen».
Zwar ist es 2022 laut der CS-Studie ebenfalls zu Branchenabgängen gekommen, insbesondere bei höher Ausgebildeten, wenn auch nicht so stark wie in der Gastronomie. Als Hauptgrund für die Fluktuation werden aber auch im Detailhandel die unbefriedigenden Arbeitsbedingungen genannt. Die Studie stellt deshalb die Frage: «Hat die Branche womöglich ein Attraktivitätsproblem?» Zudem geben im gesamtwirtschaftlichen Vergleich überdurchschnittlich viele Beschäftigte im Detailhandel den zu tiefen Lohn als Grund für die Suche nach einer neuen Stelle an.
Aufgrund struktureller Faktoren wie der Pensionierungswelle der Babyboomer dürfte das Problem des Personalmangels für die Detailhändler bestehen bleiben, kommt die Studie zum Schluss. Gefragt seien eine Führungskultur, geprägt von Anerkennung und Wertschätzung, sowie flexible Arbeitszeitmodelle und Weiterbildungsmöglichkeiten.
So hat beispielsweise das deutsche Damenmodehaus Gerry Weber angekündigt, dass es den Mitarbeitenden wahlweise erlaubt, vier oder fünf Tage pro Woche zu arbeiten. Und seit Corona gilt bei der Kleiderkette auch die Devise «Arbeite, wo du willst». Allerdings dürfte diese Flexibilitätsoffensive nur für die Angestellten in den Büros realistisch sein. Denn an der Verkaufsfront würde ein «Heute keine Lust»-Schild an der Kasse kaum goutiert.
Den Herausforderungen im Arbeitsmarkt zum Trotz erwarten die Studienautoren im kommenden Jahr für die Detailhandelsbranche ein Umsatzwachstum. Im sogenannten Non-Food-Markt gehen sie von rund 0.8 Prozent aus. Im Food- und Near-Food-Bereich, also beim Verkauf von Produkten wie Reis, Milch oder Tierfutter, erwarten sie gar ein Wachstum von 2.1 Prozent.
Gleichzeitig dürften allerdings weitere Händler verschwinden, so wie zuletzt die prominenten Beispiele Vögele Shoes und die Reformhaus-Kette. «Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht», sagt Branchenexperte Hotz. «Die Strukturbereinigung geht weiter.» (aargauerzeitung.ch)
Die CS - Studie ist demnach auf eine ganz heisse Spur gestossen. Läck Boby, da muss man aber erst mal draufkommen. Es sind die Arbeirsbedingungen !